Polypharmazie

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Hintergrund
Von Polypharmazie oder Multimedikation spricht man, wenn fünf und mehr Medikamente gleichzeitig eingenommen werden. Dabei steigt mit jedem zusätzlich eingenommenen Medikament das Risiko für das Auftreten von arzneimittelbezogenen Problemen. Dazu zählen unerwünschte Arzneimittelwirkungen, aber auch durch Wechsel- und Nebenwirkungen verursachte Kognitionseinschränkungen und Stürze. Ein großes Problem besteht in den Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten. Die verschiedenen Wirkstoffe können sich in ihrer Wirkung gegenseitig aufgeheben, verstärken oder verringern.
Ausgangslage
Projekt
Ziele
Praktischer Ablauf
Teilnahme
Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für das gleichzeitige Auftreten mehrerer chronischer und/oder akuter Erkrankungen (Multimorbidität). Diese erfordern häufig die gleichzeitige Einnahme verschiedener Arzneimittel. So erhalten 35 % der Männer und 40 % der Frauen über 65 Jahren neun und mehr Wirkstoffe in Langzeittherapie (Sachverständigenrat 2009). In Brandenburg betrifft das ca. jeden dritten Patienten.
Die Auswirkungen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen können leicht bis moderat sein. Allerdings können betroffene Patienten auch ganz wesentlich davon beeinträchtigt werden. Auf keinen Fall sollte eine mögliche Gefährdung durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen unterschätzt werden, denn es sind auch Todesfälle dokumentiert. Aus diesem Grund sind systematische Ansätze notwendig, um potentielle Risiken bei einer Polypharmazie zu vermeiden.
Nur jeder zweite Patient nimmt seine Medikamente während einer Langzeittherapie so ein, wie es der Arzt verordnet. Werden es fünf, sechs oder noch mehr Arzneimittel, verlieren die Patienten schnell den Überblick. Durch eine falsche Dosierung, das Vergessen oder Verwechseln von Arzneimitteln oder durch eine unabgestimmte Selbstmedikation kann es zu gefährlichen unerwünschten Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten kommen. Die Folgen sind zusätzliche Beschwerden oder Komplikationen, die mitunter einen Krankenhausaufenthalt mit sich führen. Bis zu 5% aller Krankenhauseinweisungen, insbesondere bei älteren Patienten, sind auf eine Fehl- bzw. Übermedikation zurückzuführen. Bei jährlich ca. 550.000 stationären Einweisungen in Brandenburg stellt das einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar.
Um die Arzneimitteltherapiesicherheit und Lebensqualität der Patienten verbessern zu können, wurde das Projekt ‚Polypharmazie‘ von der IGiB und dem Apothekerverband Brandenburg ins Leben gerufen. Zunächst soll es als Pilotprojekt in der Region Oberspreewald-Lausitz durchgeführt werden. Sollte sich das Projekt bewähren, wird eine Ausweitung auf weitere Teile Brandenburgs erwogen.
Im Kern geht es um die Durchführung eines gemeinsamen Medikationsmanagements zwischen Vertragsarzt, agneszwei, Apotheker und Patient. Der teilnehmende Arzt wählt einen geeigneten Patienten aus. Die agneszwei-Fachkraft sucht den Patienten zu Hause auf und erfasst die Medikation (auch selbstgekaufte Medikamente) und Einnahmegewohnheiten. Der Apotheker führt eine erweiterte Medikationsanalyse durch und übermittelt das Ergebnis der Analyse an den Vertragsarzt, welcher die Therapie ggf. anpasst und diese mit dem Patienten bespricht.
Die agneszwei-Fachkraft stellt das Bindeglied zwischen Patient und Arzt wie auch Patient und Apotheker dar. Sie trägt dazu bei, die tatsächliche Versorgungssituation (insbesondere der Arzneimittelversorgung) in der Häuslichkeit des Patienten zu ermitteln.
- Vermeidung/Reduktion von arzneimittelbezogenen Problemen.
- Steigerung der Therapietreue und das Erreichen der Therapieziele der Patienten.
- Zusammenarbeit von Patient, Vertragsarzt, agneszwei-Fachkraft und Apotheker.
- Der Vertragsarzt wählt Patienten aus und informiert/klärt die Patienten auf.
- Der Vertragsarzt stellt eine Verordnung (Sonderbeleg Analog Muster 16) zur Durchführung einer erweiterten Medikationsanalyse aus und beauftragt die agnes zwei zur Erfassung der Medikation.
- Die agneszwei –Fachkraft erfasst die komplette Medikation inkl. Einnahmegewohnheiten in der Häuslichkeit des Patienten.
- Die agneszwei –Fachkraft überreicht einer teilnehmenden Apotheke den Erhebungsbogen der Medikationsdaten und die Verordnung über die Medikationsanalyse (Sonderbeleg).
- Der Apotheker nimmt die Daten des Patienten auf und führt eine erweiterte Medikationsanalyse durch.
- Der Apotheker trägt das Ergebnis der Analyse auf dem Dokumentationsbogen ein und erarbeitet einen Vorschlag für einen Medikationsplan. Der Apotheker übermittelt den Dokumentationsbogen und den Medikationsplan an den Arzt.
- Der Vertragsarzt bewertet die Ergebnisse der Analyse und bespricht diese bei Bedarf mit dem Apotheker.
- Der Vertragsarzt prüft, ob Therapien anderer Ärzte betroffen sind und hält mit ihnen Rücksprache.
- Der Vertragsarzt führt ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten über die Ergebnisse der Medikationsanalyse.
- Es findet ein persönliches Gespräch zwischen Vertragsarzt und Apotheker über die Arzneimitteltherapieentscheidung statt. Das Ergebnis des Gesprächs wird im Dokumentationsbogen aufgenommen.
- Die agneszwei –Fachkraft führt ein Therapie-Monitoring durch (z.B. prüfen, ob Einnahmevorschriften eingehalten werden oder neue Medikamente verordnet/gekauft wurden). Der Vertragsarzt wertet die Angaben aus.
Weiterführende Informationen entnehmen Sie bitte den Vereinbarungen
Vertragsarzt
Teilnahmeberechtigt sind Vertragsärzte im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, die an der Vereinbarung agneszwei teilnehmen und die Teilnahme am Projekt ‚Polypharmazie‘ schriftlich gegenüber der KVBB erklärt haben.
Apotheke
Teilnahmeberechtigt sind Apotheken im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, die am jährlichen Workshop teilnehmen und die Teilnahme am Projekt ‚Polypharmazie‘ schriftlich gegenüber dem Apothekerverband Brandenburg erklärt haben.
Versicherte
Teilnahmeberechtigt sind Patienten der AOK Nordost und der Barmer aus dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz, die von einer agneszwei-Fachkraft betreut werden und dauerhaft mindestens fünf verschiedene Arzneimittel einnehmen.